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Die Tara

03.06.2011 von Mareike aus München

Im Truck liegt der alte Paddelführer "Wildwasserfahren in Jugoslawien" von Hans Matz. Der Einband bröselt schon ein wenig und in der Flussbeschreibung entfacht sich das große Feuer der Paddelpoesie:

"Landschaftlich ganz wundervoll sind die vielen Wasserfälle, die von hoch herab in die Tara stürzen. Teils sprühen sie stark opalisierend frei in die Luft, teils rieselt das Wasser über üppige Moospolster an den Felswänden herab."

Hossa! So schreibt auf jeden Fall Walter Frentz, ein Faltbootpioneer nach der Erstbefahrung der Taraschlucht im Jahr 1932. Schön soweit, aber wir sind froh darüber, dass wir nicht nach dieser Schwärmerei, sondern mit nüchterner Flussbeschreibung und Kanulehrer zum Zweitagestrip starten dürfen. Beginnen wir mit den Superlativen, die Tara Schlucht ist die größte Schlucht Europas und nach dem Grand Canyon die zweitgrößte der Welt. Als superlang kann man auch die Anfahrt aus Deutschland bezeichnen, aber der platte Autofahrhintern hat sich schwups mit der ersten Weller regeneriert.

Einen ersten Blick können wir von der Brücke erhaschen und großes Thema am Lagerfeuer ist:  "Wie verdammt bekommen wir das Gepäck in die Boote?", irgendwie passt es dann natürlich doch. Stöni behauptet bis heute dass er am Einstieg eine schwimmende Gämse gesehen hat, danach haben wir ihm das restlich Bier abgenommen.

Wasserstand super, Start frei. Kurz durchatmen und nach 2km starten mit dem Brückenkatarakt (ca. WW II-III) die Wildwasserstellen des ersten Tages. Es ist ein wenig gewöhnungsbedürftig mit einem schwer bepackten Boot zu fahren. Die ersten Wellen machen die Hüften der einen geschmeidig, die anderen verlassen bereits ihr Sportgerät. Der Spass ist aber schnell wieder vorbei und die Schwimmgruppe sitzt in trockenen Tüchern. Nur ein paar lästige Wellenabschnitte unterbrechen den Landschaftsgenuss. Hohe waldbewachsene Schlucht in denen die Nebelfetzen hängen, Karstequellen für die Champagnerwerbung und natürlich wunderschönes klares Wasser. Wie Paddelkamerad Frentz richtig erkannt hat, ist es schon echt schön hier. Bei der ersten Pausenstellen sehen wir, dass das Wasser steigt. Langsam werden auch erste Hosen für die Übernachtung als vergessen gemeldet und die Dichtheit von Schlafsack-Paddelsäcken angezweifelt, es bleibt spannend!

Mit langen Armen, gefühlt bis in Kniehöhe, erreichen wir das Camp. Kaltes Bier steht bereit und synchron werden alle Paddelsachen fallen gelassen, mit voller Montur und einem tiefen Zufriedenheitsszeufzer das kühle Gelbe genossen. Weil das Camp keinen Strom hat, wussten wir vorher schon, dass wir dort kein Essen bekommen können. Wir haben aber unseren Mulitfunktions-Helden Fynn dabei, der Sprache kundig wurde uns ein Sack Essen per Raft ans Camp geshuttelt und dieses uns dann aufs dekorativste serviert. Treibholz als Tablett, Moos für die farbliche Gestaltung, na ja und dann stand da noch ein rosa Flip-Flop mit Absatz rum. Das anschließende Lagerfeuer wird durch starken Regen beendet. Der selbige sorgt sowohl für freudige als auch für schlaflose Nächte: Wie ist wohl morgen der Wasserstand?

Die Kiesbank ist zwar am Morgen verschwunden, aber alles noch im grünen Bereich. Ob es an den Lagerfeuergeschichten der Paddellehrer lag, die von einem langen Tag und 10km anhaltenden Schwierigkeiten für den morgigen Tag erzählten, weiß man nicht. Vielleicht lag es auch an einer schlecht geschlafenen Nacht, steigendem Wasserstand und langen Armen, aber die Paddelgruppe meldete erste Verluste. Schätzungsweise war der Allradshuttle aus der Schlucht auch mit ner guten WW IV zu bewerten.

Wir starten am zweiten Tag und die dicke Nebelschicht die über dem Fluss liegt gibt dem ganzen eine besondere Atmosphäre. Ruhig paddeln wir durch diese Märchenlandschaft und keiner wäre überrascht gewesen, wenn auf dem nächsten Stein ein Troll gesessen hätte, ganz sicher sind wir uns nur über die Begleitung einer Elfe. Die ersten 20 km des Tages sind ruhiges Wanderrevier mit toller Landschaft, so durchfahren wir z.B. die Koritnica-Klamm in XXL. 

Für die meisten von uns ist die Tara das wuchtigste Wasser, dass sie gefahren sind. Die Wildwasserstrecke am zweiten Tag ist gespickt mit großen Wellen, Löchern und viel viel Wasser. Hat man sich erst daran gewöhnt und der Spucke-Pegel im Mund ist wieder auf Normalniveau ist die Strecke der pure Genuss. Die Verblockung hält sich in Grenzen und alle Walzen lassen sich gut umfahren. Es  ist ein Bild für Götter, wie die 9 Plastikboote in einer Kette über die Wellen tanzen. Wir beenden unser Abenteuer direkt an der bosnisch-montenegrischen Grenze, wo Christian uns schon erwartet. Zurück zum Camp geht es über eine "weiße" Straße direkt durch den Durmitor Nationalpark auf der Scenic-Route. Müde lächelnd lassen wir diese wunderschöne Landschaft an uns vorbeiziehen. Mit gegrilltem Lamm und Fisch lassen wir unser Mini-Abenteuer im Camp ausklingen.

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