Neretva
Warum unternimmt man eine Paddeltour auf den Balkan? Vielleicht weil man an der Soca schon jeden Stein mit Vornamen kennt. Vielleicht weil die Eltern immer nach Jugoslawien in den Urlaub gefahren sind und für einen selber dieser Flecken Erde unbekannt ist. Vielleicht weil man zu Balkan-Musik derbe feiern geht und Land und Leute kennen lernen will. Vielleicht, weil Europa genormt ist und man ein Abendteuer erleben möchte. Nach ja, oder weil man billige Zigaretten kaufen kann, sagt auf jeden Fall Christian.
Um den Bogen zur Befahrung der Neretva zu schlagen muss ich wohl noch einmal ein wenig ausholen. Wir laufen nachts um halb zwei auf dem Privatgrund eines Raftunternehmens am Fluss Neretva auf. Im letzten Jahr konnte die Kanuschule Essen hier wohl ohne Probleme übernachten, aber sich einfach so in den Garten einer fremden Person zu stellen ist schon eine gewagte Nummer. Langsam kommen wir aber im Balkan-Mode an und warten einfach mal ab. Schaun wir mal, dann sehen wir schon.
Nach dem ersten Raki vor 10 Uhr morgens steht der Deal und wir sind herzlich willkommen. Direkt am Camp ist der Einstieg zur Neretva und nach einer angemessenen Erholung der aufregenden Nachtfahrt starten wir zur Befahrung.
Die Neretva ist eine Perle des Balkans (auch wenn dies ein ausgelutschte Bezeichnung ist, trifft sie hier zu), die lange versteckt war unter dem Deckmatel des Militärs, als Schutzzone von Tito streng abgeriegelt, plätscherte sie in ihrer vollen Schönheit ohne Beachtung jahrzentelang durchs Land. Letztes Jahr hat die Kanuschule Essen, laut Stöni erfahren, dass eine Befahrung wieder möglich ist. Der Fluss selber besticht durch zwei Canyon, zunächst ein kleinerer, dann ein tieferer. Auch wenn dieser nur 1/5 der Tiefe der Taraschlucht hat kommt wahres Schlucht-Feeling auf. Hohe Felswände, klares Wasser (endlich sieht man mal, ob ein Stein unterspült ist), Wildwasserstelen gefolgt von Pools, die das Kajaklehrerleben angenehm machen. Der Kanuverband klassifiziert den Fluss mit WW III-III+. Unser Gefühl, nicht so schwer, aber extraordinär-wunderschön. Die Niederlande-Vertretung im Abenteuer-Kurs ordnet die Neretva ganz oben auf der Liste der Lieblingflüsse ein. Mehr gibt es nicht zu sagen!