Tag 3 - Imster Schlucht
Bei strahlendem Sonnenschein verkündete Picco, dass man heute die Imster Schlucht in Angriff nehmen wolle. Der Einstieg solle in Schönwies erfolgen, damit wir genügend Zeit zum Eingrooven haben würden. Aber wirklich eilig hatte es niemand. Jan berichtete von einem Skiurlaub, in dem er einen Skikurs beobachtet hatte. Eine Gruppe von Kids sei völlig angstfrei hinter einem Skilehrer her geheizt. Dieser habe gebrüllt: „ Hundehütte, Hundehütte“. Die kids antworteten mit „wauwauwau“ und vergaßen darüber ihre Angst vor der rasanten Abfahrt. Fanden wir alle total lustig.
Bei der Anfahrt bemerkten wir an der Talsperre von Fließ, dass dort anders als an den Vortagen erhebliche Wassermengen abgelassen wurden. Im sog. „Hohen Gericht“ strömten Wassermassen zu Tal und hätten eine Befahrung dieses Abschnitts ermöglicht. Mich beunruhigte eher die Vorstellung, diesen Wassermassen in der Imster Schlucht zu begegnen.
Aber erstmal war Abhängen an der Ausstiegstelle vom ersten Tag angesagt. Wir räkelten uns im Schatten in Ufernähe, verscheuchten Bremsen, Wespen und Ameisen und beobachteten, wir der Pegel des Inn von Minute zu Minute stieg. Ich übte derweil Trockenpaddeln mit dem Paddel eines anderen Herstellers. Fühlte sich irgendwie komisch an – kein Wunder, es war ja auch links gedreht, was sich dank Varioschaft leicht ändern ließ.
Die ersten rund zehn Kilometer auf dem zügig dahin fliessenden Inn gingen schnell vorbei. Ich nutzte die Zeit zum Ausprobieren des neuen Paddels und war sehr überrascht. Offenbar waren bestimmte Entwicklungen des Paddelsbaues in den letzten Jahren spurlos an mir vorüber gegangen. Kurz vor dem Rafteinstieg am Klärwerk Imst versammelte Picco seine Schäfchen in einem gigantischen Kehrwasser. Nun werde es ernst, meinte er.
Einige hundert Meter vor uns verschwanden einige Rafts in Wellen, die irgendwie hoch wirkten. Unter der Brücke wurden die Details des Eingangsschwalles erkennbar. Wuchtige Wellen, überwiegend von vorne, teils auch von beiden Seiten verursachten vorübergehend eine Erhöhung der Pulsfrequenz. Dem Schwall folgte viel zu schnell ein ruhiger Abschnitt, an dessen Ufer wir uns für weitere Herausforderungen stärkten und eine Reihe von Rafts passieren ließen.
Wieder auf dem Fluß rief es von vorne plötzlich „Hundehütte, Hundehütte….“ – die gewünschte Antwort der Gruppe (siehe oben) folgte unverzüglich. Da wussten wir, jetzt wird es ernst. Ein Raftguide schaute erstaunt herüber. Schwall folgte auf Schwall, die Wellen wurden wuchtiger, die Backen dicker. Felsen im Flusslauf sind hier eher selten, dafür taucht die eine oder andere Walze unvermutet auf. Es hat auf jeden Fall Vorteile, der Linie des Kanulehrers zu folgen und nicht 3-4 Meter seitlich davon zu fahren. Dieser Lernerfolg stellte auch bei uns schnell ein. Grundsätzlich können die Walzen gut umfahren werden. Das Überfahren von Verschneidungszonen erforderte vor allem Entschlossenheit, den gezielten Einsatz von Technik und etwas Kraft. Filigrane Paddelmanöver sind hier eher fehl am Platze. Etwaige Kenterungen ziehen längere Schwimmeinlagen nach sich, da Kehrwässer eher selten sind, und die Strömung Schwimmer in die Mitte zieht. Dies führte dazu, dass die Imster Schlucht zu Zeiten als man noch mit Trainingsanzug und Gummistiefeln unterwegs war, als schweres Wildwasser eingestuft wurde. Heute gilt dies dank besserer Ausrüstung nicht mehr.
Wir kamen nahezu ohne Schwimmeinlage aus und hatten großen Spaß auf dem Fluss. Die Memminger Walze, die sich angesichts des recht hohen Wasserstandes (2,90m) eher als Welle darstellte, umfuhren wir taktisch klug weiträumig auf der linken Seite. Durch den Zufluß der Ötz erhielt der Fluss noch einmal deutlich mehr Wasser. Die flussabwärts folgenden Schwälle warteten daher mit wuchtigen Wellen auf. Je weiter wir fuhren, desto breiter wurde das Grinsen auf unseren Gesichtern. Viel zu schnell erreichten wir die Ausstiegstelle in Haiming. Das war super !!! Für einen zweiten Ritt reichte die Zeit leider nicht, aber auf der Imster Schlucht waren wir bestimmt nicht das letzte Mal.
Morgen ist Ruhetag. Schade eigentlich !
juergen